Wolfgang Kahlkes Reiseberichte








Fotos: Wolfgang Kahlke / Alfred Czogalla (Download mit Linksklick)

Kerpen Lourdes - Tag 12 Lourdes - Col du Tourmalet 12. Juni 2019

Nach dem sehr schönen und erholsamen Ruhetag in Lourdes mit spiritueller und kultureller Erleuchtung folgte nun der weitere Bonus, diesmal wieder in sportlicher Form. Uns lockte der höchste asphaltierte Pass der Pyrenäen, der Col du Tourmalet welcher schon seit Anfang des letzten Jahrhunderts zum Standard Programm der Tour de France gehört. Unsere sportliche Ambition war aber nur den Pass zu schaffen und beim Aufstieg möglichst viele Eindrücke aufzunehmen. Die Voraussetzungen dafür waren sehr gut. Während sich das Wetter in den zwei letzten Tagen recht unbeständig gezeigt hatte, wurden wir an diesem Morgen von strahlender Sonne begrüßt. Nach einem guten Frühstück in unserem Appartement stiegen wir auf die entrümpelten Rennmaschinen. Alles was für diesen Tagesausflug nicht unbedingt nötig war, hatten wir entfernt. Schließlich waren über 2000 Höhenmeter zu bewältigen und wir hatten nicht die Absicht unnötiges Gewicht ins Hochgebirge zu schleppen. Mit 9 Grad war es noch recht frisch, so das ich mich für Armlinge, Beinlinge und Windjacke entschied. Wir hatten uns für einen Rundkurs auf den Westanstieg geeinigt. Also führte uns die Strecke zu Beginn mitten durch Lourdes. Auf dem Foto oben links sieht man, dass an diesem Morgen urplötzlich auch das schneebedeckte Hochgebirge hinter der Burg sichtbar wurde, welches sich zwei Tage vor unseren Blicken in den Wolken versteckt hatte. Im Vordergrund fährt der TGV vorbei, auf den ich später noch zurückkomme. Die ersten 15 Kilometer führten uns durch das Flusstal des Gave de Pau gemächlich bergauf. Wir bewegten uns auf einer gut ausgebauten Straße häufig im Schatten und mussten uns erst mal auf Temperatur fahren. Bei Pierrefit-Nestalas trafen wir auf die D921 und erreichten hier auch den Beginn der Passstraße. Erfreut stellten wir fest, dass der Pass offiziell frei gegeben war, an dem am Vorabend noch Schneefälle gemeldet worden waren. Wir folgten dieser Straße nun nach Osten, und damit auch weiterhin dem Flusslauf des Gave de Pau bergauf. Immer mehr Rennrad Fahrer waren ab hier in die gleiche Richtung wie wir unterwegs.

Wir fuhren nun meist in der Sonne und es wurde angenehm warm. Je weiter wir ins Gebirge kamen, um so schöner wurden die Ausblicke. Wir genossen wirklich den leichten Anstieg bis zum Ort Le Doumet. Ab hier waren es noch 20 Kilometer und über 1400 Höhenmeter bis zum Gipfel und der Anstieg fing "richtig" an. Wir und die zahlreichen anderen Radfahrer suchten nun ihren Rhythmus für den Anstieg. Ab hier stand nun auf jedem Kilometer ein Hinweisschild mit der verbleibenden Strecke, Höhenmeter, Höhe des Gipfels und der durchschnittlichen Steigung des nächsten Kilometers. Psychologisch fand ich das generell sehr hilfreich, speziell wenn der folgende Kilometer mal etwas flacher war. Auf 1200 Meter über dem Meeresspiegel erreichten wir den schönen Kur- und Skiort Bareges. Auf einer Bank im Ortszentrum gönnten wir uns noch eine Müsliriegel-Pause vor dem finalen Anstieg und füllten die Wasserflaschen auf. Wir hatten bis hierhin schon ganz ordentlich geschwitzt. Je länger der Pass dauerte um so besser bildete sich ein Fahrt-Rhythmus aus. Am Fuß des Passes war ich noch unsicher, da ich nicht wusste, reicht die Kraft und Ausdauer, ist die Ritzelung ausreichend für die Steigung, hält sich das Wetter? Je näher die Passhöhe kam, um so klarer wurde, dass wir es auf jeden Fall schaffen würden. Auch einige Kühe und Schafe auf der Passstraße konnten uns nicht aufhalten. Bei etwa 1700 Höhenmetern erreichten wir die Talstationen des Skigebiets Super Bareges und den letzten etwas flacheren Teil des Aufstiegs. Der finale Kilometer zum Kulminationspunkt forderte uns mit über 10% im Durchschnitt noch mal heraus, aber mit dem Ziel vor Augen war dies kein Problem mehr. Auf der Passhöhe des Col du Tourmalet fanden wir eine sehr gelöste Stimmung vor. Außer uns hatten sich noch mindestens 50 Rennradfahrer eingefunden, die diesen sehr schönen Tag für eine Passfahrt genutzt hatten, darunter auch organisierte Gruppen. Alle fanden sich vor dem Schild auf der Passhöhe ein und fotografierten sich reichlich gegenseitig, wo außerdem verschiedene Gedenksteine und Skulpturen an den ersten Bezwinger des ersten Hochgebirgspasses überhaupt bei der Tour de France im Jahr 1910, namens Octave Lapize, den langjährigen Tour Direktor Jacques Goddet und den Straßen-Ingenieurs Jean-Raoul Paul erinnerten. Wir genossen den Augenblick, gönnten uns noch eine Kaffee und gingen dann vorsichtig die Abfahrt in östlicher Richtung an.

Wir hatten uns alles angezogen, das wir dabei hatten, denn es war wirklich frisch im Hochgebirge. Die ersten 5 Kilometer gingen wir sehr vorsichtig an. Zu einen war die Straßenoberfläche durch Frostschäden und Reparaturen sehr uneben, zum anderen fehlte in den eiskalten Fingern auch etwas Gefühl und Kraft beim Bremsen, zudem tränten die Augen und wir hielten so gut es ging Ausschau nach Steinen und Tieren auf der Straße. Wir überstanden diesen Abschnitt aber ohne Probleme und erreichten bald den zu mindestens im Sommer sehr hässlichen Skiort La Mongie, der auch schon häufiger Zielort eine Tour Etappe war. Ab hier wurde es langsam wieder wärmer und die Straßen glatter, so das wir ohne Risiko die Räder laufen lassen konnten. Die insgesamt 35 Kilometer Abfahrt absolvierten wir aufmerksam und ohne große körperliche Anstrengung. Auf den letzten 15 Kilometern bis Lourdes ging es noch etwas bergauf und bergab in einem Landschaftsbild ähnlich dem Allgäu vor den Alpen. Wir waren begeistert von dem Tag, speziell das der Wettergott uns so gnädig tolle klare Sicht zugeteilt hatte. Frisch geduscht zog es uns dann wie schon am Vorabend zu Chez Tontons Pizza Box. Wir waren an diesem Abend die ersten Gäste und wurden beim zweiten Besuch schon mit Handschlag begrüßt und verabschiedet. Sowohl Pizza als auch Pasta fanden wir qualitativ wieder sehr gut und ließen hier den Abend ausklingen.

Unsere wenigen Sachen hatten wir am nächsten Morgen für die Rückfahrt schnell gepackt. Wir fuhren frühzeitig zum Bahnhof und bauten unsere Räder für die Rückfahrt mit TGV und Thalys etwas auseinander. Das ausgebaute Vorderrad befestigten wir mit Kabelbindern am Rahmen und der Sattel wurde abgesenkt. Das ganze Rad verschwand in zwei großen Müllsäcken und erreichte so ziemlich genau das Packmaß für die Gepäckablagen der Schnellzüge. Das letzte Bild zeigt uns in bester Stimmung auf unseren reservierten Sitzplätzen, noch im Bahnhof von Lourdes. Der TGVbestätigte seinen Ruf als modernes und komfortables Reisemittel. In Paris wanderten wir lange Strecken durch den Untergrund, um dann mit der Metro vom Gare Montparnasse zum Gard du Nord zu gelangen. Im Thalys fanden wir alles etwas enger antiquiert, ein geschlossenes Bordbistro und zunehmende Verspätung komplettierten das traurige Bild. Dieser Zug konnte aber nicht mehr das insgesamt sehr positive Bild unserer Radtour durch drei Länder trüben. Wir hatten positive Eindrücke aus den Ardennen in Belgien mitgenommen. Frankreich mit seinen riesigen landwirtschaftlichen Nutzflächen hatte uns schwer beeindruckt und wir waren von den aufmerksamen und entspannten französischen Autofahrern angetan. Auf viele der unzähligen historischen Gebäude konnten wir leider nur einen kurzen Blick werfen. Die ausgiebigen abendlichen Spaziergänge durch die Zielorte nutzen wir aber so weit wie möglich für eingehende Besichtigungen, während wir die Atmosphäre der Ort aufsaugten und sehr interessante Gespräche führten. Es war eine gelungene Tour de France!

Karte mit Streckenverlauf
Grafik mit dem Höhenprofil
Grafik mit dem Geschwindigkeitsprofil

Tag 0 (Übersicht)
Tag 1 (Kerpen - Stavelot)
Tag 2 (Stavelot - Bouillon)
Tag 3 (Bouillon - Reims)
Tag 4 (Reims - Fontenay)
Tag 5 (Fontenay - Orleans)
Tag 6 (Orleans - Tours)
Tag 7 (Tours - Poitiers)
Tag 8 (Poitiers - Anglouleme)
Tag 9 (Anglouleme - Bordeaux)
Tag 10 (Bordeaux - Mont de Marsan)
Tag 11 (Mont de Marsan - Lourdes)
Tag 12 (Lourdes - Tourmalet)


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