Wolfgang Kahlkes Reiseberichte





Fotos: Wolfgang Kahlke / Alfred Czogalla (Download mit Linksklick)

Kerpen Lourdes - Tag 4 Reims - Fontenay-Tresigny 3. Juni 2019

Nach einer etwas unruhigen Nacht standen wir, wie immer so gegen 7:00 Uhr auf, um uns auf den nächsten Radtag vorzubereiten. Uns beiden hing der Vortag mit der langen Fahrt in der sonntäglichen französischen Hitze noch etwas nach. Wir hatten ursprünglich ja die Erwartung, dass die dritte Etappe etwas leichter fallen sollte, als die vermeintlich schwerere zweite Etappe. Uns war bewusst das wir an diesem vierten Tag noch mal 15 Kilometer mehr und auch nicht weniger Höhenmeter geplant hatten. Zudem war auch wieder Gegenwind angesagt, also richteten wir uns gedanklich auf eine eventuell noch härtere Etappe ein. Im Appartement bereiteten wir uns einen dürftigen Kaffee und verbrauchten noch ein paar Vorräte, so das wir uns ganz ordentlich präpariert fühlten. Die Vorbereitung der Räder für die Etappe ging uns mittlerweile schon recht routiniert von der Hand. Wir rollten in aller Ruhe in den montäglichen Berufsverkehr der Großstadt. Das Radwegenetz war gut ausgebaut, allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Bald führte uns die Navigation auf den Standstreifen eine zweispurigen Ausfallstraße. In Deutschland würde man so eine Straße wohl Stadtautobahn oder Schnellstraße nennen. Beim Überqueren der Ausfahrten waren wir wegen des hohen Geschwindigkeitsunterschieds immer sehr vorsichtig. Im Endeffekt war der Radweg aber gut zu befahren. Nach knapp 8 Kilometern erreichten wir den letzten Kreisverkehr von Reims und bogen urplötzlich auf eine der üblichen schmalen Landstraßen ab.

Diesen schmalen, kaum befahrenen Landstraßen sollten wir an diesem Tag bis zum Ziel folgen. Wir befanden uns weiterhin in der Champagne, aber erst ab Reims kamen wir auch durch Weinanbaugebiete, im Gegensatz zum Vortag, an dem wir nur die traditionelle Landwirtschaft auf riesigen Feldern und Weiden durchquert hatten. Das oberste Foto links zeigt den Alfred im Anstieg durch den ersten Weinberg. Nach dem Überwinden von zwei Hügelketten, rollten wir recht zügig hinab ins Tal der Marne, die wir kurz querten, um direkt in den nächsten Weinberg hineinzufahren. Mit 11 bis 14% Steigung mussten wir kurzfristig 150 Höhenmeter überwinden, was den Kreislauf mal so richtig in Schwung brachte. Zum Glück konnten wir uns bei den folgenden 9% durch das Dorf Vauciennes gut erholen. Eine Erholung war auch das kühlere bedeckte Wetter des Tages. Bei Temperaturen um die 20 Grad und einer Streckenführung, die für die nächsten 20 Kilometer eine bewaldete Hochebene anbot, kamen wir recht gut voran. Nach etwas über 50 Kilometer fiel mir im Dorf Orbais L'Abbaye, benannt nach dem gleichnamigen Benediktiner-Kloster, eine Bäckerei ins Auge. Ich fand es war Zeit für ein zweites Frühstück und wir versorgten uns mit sehr leckeren Croissants und einem Baguette. Ab diesem Tag nahmen wir die frühmorgendlichen Besuche in einer Bäckerei in unser Standardprogramm auf. Man sollte sich allerdings in Frankreich darauf einstellen, dass eine Boulangerie-Patisserie üblicherweise nur Backwaren im Programm hat, einen guten Kaffee findet man hier gar nicht oder selten. Dazu steuert man besser eine Bar an. Die nächste Bar sollten wir dann aber erst 15 Kilometer später finden. Wir bewegten uns hierzu auf einer sehr verkehrsarmen Straße über eine Art Hochplateau mit vorwiegend landwirtschaftlicher Nutzung. Der nächste "größere" Ort, den wir erreichten hieß Montmirail, welcher an diesem Montag einen kleinen Wochenmarkt beheimatete. Hier fanden wir eine Bar und hoben mit einem Cafe au Lait unseren Koffeinspiegel und die Laune weiter an. Mehr als die Hälfte der 127 Tageskilometer hatten wir zur Mittagszeit schon absolviert.

Die letzten 60 Kilometer des Tages spulten wir routiniert ab, obwohl uns der Gegen- und Seitenwind treu blieb. Es war deutlich einfacher als am Vortag wegen der moderaten Temperaturen und dem weniger anspruchsvollen Höhenprofil. Bis auf ein weiteres Flusstal beim Ort Coulommiers, nach dem auch ein beliebter Weichkäse benannt ist. Wir überquerten den Fluss Grand Morin und rollten danach über lange Geraden in Richtung Paris. Der Verkehr wurde hier naturgemäß etwas dichter aber nicht unangenehm. Schon um 15:30 erreichten wir ein typisches Monteurshotel (s. links unten) vor den Toren von Paris, nach 129 Tageskilometern und mehr als 1200 Höhenmetern. Die Räder durften wir in einem Konferenzraum abstellen, ehe wir das Zimmer belegten. Frisch geduscht schlenderten wir durch Fontenay-Tresigny und waren erstaunt, dass er mehr zu bieten hatte als erwartet. Reste der mittelalterlichen Stadtmauer waren noch zu erkennen und wir lernten, dass sogar zwei französische Könige hier ihren Ursprung hatten, Ludwig der Dicke und Philipp der Lange. Nach der Stadtbesichtigung zog es uns zum Intermarche neben dem Hotel. Wir erwarben dort leckere Salate, Baguette, Käse und Getränke, die ein gutes Abendbrot abgaben. Wir waren froh, dass dieser Tag so gut verlaufen war, den wir mit gewissen Zweifeln begonnen hatten.

Karte mit Streckenverlauf
Grafik mit dem Höhenprofil
Grafik mit dem Geschwindigkeitsprofil

Tag 0 (Übersicht)
Tag 1 (Kerpen - Stavelot)
Tag 2 (Stavelot - Bouillon)
Tag 3 (Bouillon - Reims)
Tag 4 (Reims - Fontenay)
Tag 5 (Fontenay - Orleans)
Tag 6 (Orleans - Tours)
Tag 7 (Tours - Poitiers)
Tag 8 (Poitiers - Anglouleme)
Tag 9 (Anglouleme - Bordeaux)
Tag 10 (Bordeaux - Mont de Marsan)
Tag 11 (Mont de Marsan - Lourdes)
Tag 12 (Lourdes - Tourmalet)


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